Anfahren vom Fahrbahnrand

Der Fahrzeugführer, der vom Fahrbahnrand anfährt, hat gem. § 10 StVO dafür Sorge zu tragen, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Das Landgericht Saarbrücken hält es dabei nicht für beachtlich, welche Strecke der Anfahrende bereits zurückgelegt hat. Im entschiedenen Fall waren bereits 12-16m zurückgelegt, bevor es zum Unfall mit dem fließenden Verkehr kam. Für die Entscheidung über die Haftungsquote kommt es lediglich auf die Frage an, ob jedwede Auswirkung des Anfahrvorgangs auf das weitere Verkehrsgeschehen ausgeschlossen ist, und sich nicht mehr die typische Gefahr verwirklicht, die daraus resultiert, dass andere Verkehrsteilnehmer sich noch nicht auf das Hineinbegeben des Fahrzeugs in den fließenden Verkehr eingestellt haben.

LG Saarbrücken, Urteil vom 23.12.2020, Az: 13 S 117/20

Unfall mit Fußgänger

Ein Fußgänger wurde schwer verletzt, als er bei Dunkelheit und starkem Regen außerorts eine Straße von links nach rechts überquerte und von einem Pkw erfasst wurde.

Das Gericht wertete das Verhalten des Fußgängers also so grobes Verschulden, dass die Betriebsgefahr des Kraftfahrzeugs dahinter vollständig zurücktrat. Im Ergebnis haftete der Pkw-Fahrer nicht für die Verletzungen des Fußgängers. Dem Fahrverkehr gebührt der Vorrang; der Fußgänger darf die Fahrbahn erst betreten, wenn er sich davon überzeugt hat, dass er keinen Fahrzeugführer gefährdet oder auch nur an der Weiterfahrt behindert.

OLG Jena, Urteil vom 1.12.2020, Az: 5 U 134/19

Abschleppen eines auf dem Radweg abgestellten Fahrzeugs

Das Landgericht Leipzig hat entschieden, dass ein widerrechtlich auf einem Radweg abgestelltes Fahrzeug auf Kosten des Halters abgeschleppt werden kann, wenn die zuständigen Beamten zuvor erfolglos versucht haben, den Halter zu kontaktieren und ein Umstellen des Fahrzeugs nicht möglich war.

LG Leipzig, Urteil vom 5.5.2021, Az: 1 K 860/20

Erneut § 23 Ia Satz 1 StVO

Es ist zum Haareraufen. Die skurrilen Entscheidungen zur genannten Vorschrift reißen nicht ab. Jetzt hat es ein solcher Fall bis zum BGH geschafft. Dieser hat jüngst entschieden, dass auch die Nutzung eines normalen elektronischen Taschenrechners geeignet ist, einen Verstoß gegen § 23 Ia S. 1 StVO zu begründen. Also zwischen 100,- € und 200,- € (bei kausaler Unfallverursachung) und einen Punkt im FAER. Gesetzeskonform aber im Ergebnis doch schon sehr gewöhnungsbedürftig, berücksichtigt man die Menüführung in einigen festinstallierten Infotainmentsystemen.

BGH, Beschluss vom 16.12.2020, Az: 4 StR 526/19

Bußgeldbescheide aufgrund Leivtec XV3 anfechten

Im Rahmen von Kontrollmessungen durch Sachverständige mit mehreren Leivtec XV3-Messgeräten haben Sachverständige teils extrem abweichende Meßergebnisse erhalten. Dieses hat den Hersteller des massenhaft für Geschwindigkeitsüberwachugnen eingesetzten Geräts dazu bewogen, die Behörden anzuhalten, das Gerät nicht mehr einzusetzen.

Aufgrund der offenbar unzuverlässigen Meßergebnisse ist es dringend anzuraten, entsprechende Bußgeldbescheide anzufechten. Wir beraten Sie gerne!

Trunkenheitsfahrt mit E-Scooter

Das Bayrische Oberlandesgericht München hat in einem Beschluss entschieden, dass es sich bei E-Scootern um Kraftfahrzeuge im Sinne des § 316 StGB (Trunkenheit im Verkehr) handelt. Entsprechend ist auch der Wert von 1,1 Promille als Grenze für die Annahme der absoluten Fahruntauglichkeit anzunehmen. Ab diesem Blutalkoholwert wird also davon ausgegangen, dass der Fahrer eines Kraftfahrzeugs nicht mehr in der Lage ist, dieses sicher im Straßenverkehr zu bewegen. Ohne dass es darauf ankommt, ob er vielleicht tatsächlich dazu in der Lage war.

Im zu entscheidenden Fall hatte der Kläger einen E-Scooter nur wenige Meter bewegt, bevor er kontrolliert wurde. Aufgrund der festgestellten Blutalkoholkonzentration von 1,34 Promille wurde er gem. § 316 StGB verurteilt und ihm die Fahrerlaubnis entzogen. Zurecht, wie in der letzten Instanz entschieden wurde.

BayObLG München, Beschl. v. 24.7.2020, Az: 205 StRR 216/20