Kein „Rechts-vor-links“ auf Parkplätzen

Auf größeren Parkplatzanlagen stellt sich häufig die Frage, ob die allgemeinen Verkehrsregeln gelten. Hierzu hat sich das Oberlandesgericht Frankfurt in einem Urteil geäußert. Demzufolge kommt es entscheidend darauf an, ob Fahrbahnmarkierungen oder bauliche Anlagen wie Bordsteine oder Gräben „eindeutig und unmissverständlich“ auf einen Straßencharakter hinweisen und zudem ausreichend Raum für Begegnungsverkehr innerhalb der Fahrspuren vorhanden ist. Nur dann kommt die Heranziehung allgemeiner Verkehrsregeln wie „Rechts-vor-links“ in Betracht.

Auf allen übrigen Parkplätzen gilt ausschließlich das allgemeine Rücksichtnahmegebot. Kreuzen sich zwei Fahrgassen, ist jeder Fahrzeugführer verpflichtet, defensiv zu fahren und die Verständigung mit dem jeweils anderen Fahrzeugführer zu suchen.

OLG Frankfurt, Urteil vom 22.6.2022, 17 U 21/22

Schuldanerkenntnis am Unfallort

Es kommt nicht selten vor, dass ein Unfallbeteiligter im polizeilichen Protokoll angibt, oder – noch häufiger – ankreuzt, den Unfall verschuldet zu haben. Ein solches Schuldanerkenntnis des Fahrers am Unfallort führt nicht etwa dazu, dass der Fahrer für den Unfall haftet, sondern nur zu einer Beweislastumkehr zu Lasten des Anerkennenden. Es wird also so lange vermutet, dass der Unterzeichner einer solchen Erklärung den Unfall verursacht hat, bis er das Gegenteil bewiesen hat.

OLG Nürnbert, Urteil vom 29.3.2022, Az: 3 U 4188/21

Pedelecs im Straßenverkehrs- und Unfallrecht

Pedelecs, also Fahrräder mit elektrischem Hilfsmotor, werden von der Rechtssprechung bisher Fahrrädern ohne Motor gleichgestellt. Das bedeutet bei der Beurteilung von Verkehrsunfällen, dass es für die Verschuldensfrage keinen Unterschied macht, ob das Beteiligte Fahrrad mit einem unterstützenden Motor ausgestattet ist oder nicht. Das gilt zumindest für Fahrräder, deren Motor bis zu einer Geschwindigkeit von 25 km/h unterstützt. Es bleibt abzuwarten, ob die Rechtsprechung Verkehrsunfälle und deren Folgen in Zukunft differenzierter danach beurteilen wird, ob ein Fahrrad mit oder ohne Motorunterstützung beteiligt ist.

Haftung bei Kollision beim Fahrstreifenwechsel

In der Straßenverkehrsordnung (StVO) ist in § 7 Absatz 5 geregelt, dass ein Fahrstreifenwechsel nur erfolgen darf, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass von einem Verschulden des Fahrstreifenwechslers ausgegangen wird, wenn er nicht das Gegenteil beweisen kann (Anscheinsbeweis).

Der BGH hat in einem jüngst veröffentlichen Urteil entschieden, dass ein „anderer Verkehrsteilnehmer“ im Sinne der Vorschrift nur ein solcher ist, der sich im fließenden Verkehr befindet. Wenn, wie im entschiedenen Fall, sich ein Unfall mit einem vom Fahrbahnrand anfahrenden Verkehrsteilnehmer ereignet, wird nicht von einem Verschulden des Fahrstreifenwechslers ausgegangen.

BGH, Urteil vom 8.3.2022, Az: VI ZR 1308/20

Betagter E-Bike-Fahrer

Unfälle zwischen Radfahrern und Pkw oder Lkw ereignen sich im Stadtverkehr häufig; meist mit schweren gesundheitlichen Folgen für die Radfahrer. Die Verschuldensfrage richtet sich nach den gültigen Verkehrsregeln, sowie der sogenannten Betriebsgefahr. Bei letzterer handelt es sich um diejenige Gefahr, die das Fahrzeug als solches mit sich bringt und entsprechend ist sie bei z.B. Lkw hoch – bei Fahrrädern niedrig oder mit Null anzusetzen.

In einem vom OLG Hamm entschiedenen Fall wurde die alleinige Schuld an einem Verkehrsunfall dem Radfahrer zugesprochen; die Betriebsgefahr des Pkw wurde auf Null reduziert. Grund für diese Gewichtung war der Umstand, dass der 81-jährige-Radfahrer „blindlings“ die Fahrbahn gequert hatte, also ohne dass für den fließenden und bevorrächtigten Verkehr eine entsprechende Absicht zu erkennen war. Das Gericht wies darauf hin, dass alleine das Alter eines Radfahrers andere Verkehrsteilnehmer nicht zu erhöhter Vorsicht verpflichtet.

OLG Hamm, Hinweisbeschluss vom 8.3.2022, Az: 9 U 157/21

Fiktive Schadensabrechnung

Nach einem Verkehrsunfall kann der Geschädigte wählen, ob er von dem gegnerischen Haftpflichtversicherer die Kosten der tatsächlich durchgeführten Reparatur verlangt, oder nur den Betrag fordert, der von einem Sachverständigen als für die Reparatur erforderlich errechnet wird. In letzterem Fall spricht man von der fiktiven Schadensabrechnung. Das Geld kann der geschädigte sodann nach seinem Belieben verwenden.

Anders als bei der konkreten Abrechnung auf Basis der Reparaturkostenrechnung kann bei der fiktiven Schadensabrechnung Mehrwertsteuer nicht geltend gemacht werden, weil sie tatsächlich nicht anfällt und in sofern auch keine Schadensposition darstellt.

Der Bundesgerichtshof hat nun entschieden, dass es nicht möglich ist, fiktiv abzurechnen, dann eine Teilreparatur vorzunehmen und Mehrwertsteuer zurückzuverlangen, die auf verwendete Ersatzteile angefallen und bezahlt worden ist. Der Geschädigte kann also entweder fiktiv oder konkret abrechnen. Eine Vermischung der beiden Methoden ist nicht zulässig.

BGH, Urteil vom 5.4.2022, Az: VI ZR 7/21