Keine Zehn-Jahres-Frist bei Wohnungsrecht an ganzem Gebäude

Vorab: Wird ein gesetzlicher Erbe vom Erblasser enterbt, hat er einen Pflichtteilsanspruch gegen die Erben. Hat der Erblasser Schenkungen getätigt, um den verbleibenden Nachlass zu schmälern und somit auch den Pflichtteilsanspruch zu mindern, hat der Enterbte einen Pflichtteilsergänzungsanspruch. Zur Berechnung der Höhe des Pflichtteilsanspruchs wird dazu der Wert der Schenkung dem Nachlass addiert. Besonderheit: Liegt die Schenkung länger als 10 Jahre zurück (also vor dem Erbfall), wird die Schenkung nicht berücksichtigt, also der Nachlasswert nicht rechnerisch erhöht. Zudem wird für jedes Jahr ab Schenkung 1/10 von dem Wert abgezogen.

Das OLG München hat nun entschieden, dass der Beginn der Berechnung der 10-Jahres-Frist erst dann anzunehmen ist, wenn das Geschenk wertmäßig beim Beschenkten ankommt. Im zu entscheidenden Fall hatte der Erblasser eine Immobilie geschenkt und sich gleichzeitig das alleinige Wohnungsrecht vorbehalten. Das bedeutete, dass der Beschenkte die Immobilie in keiner Weise nutzen oder irgendwie zu Geld machen konnte. Das Geschenk erreichte den Beschenkten so gesehen erst zu dem Zeitpunkt, als das Wohnungsrecht erlosch, also mit dem Tode des Schenkers. Von der 10-Jahres-Frist konnten die Erben daher nicht profitieren.

OLG München, Urteil vom 8.7.2022, Az: 33 U 5525/21

Wechselbezüglichkeit testamentarischer Verfügungen

Ehegattentestamente werden in der Weise aufgesetzt, dass sich die Erblasser gegenseitig zu Erben einsetzen. Es wird dann davon ausgegangen, dass die Einsetzung des einen Ehegatten nur erfolgte, weil auch der andere entsprechendes verfügt hat. Entsprechend können die Einsetzungen ohne Zustimmung des jeweils anderen nicht mehr geändert werden.

Das gilt auch für die weiteren Erbeinsetzungen in demselben Testament. Der BGH hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem sich kinderlos gebliebene Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Alleinerben und Verwandte beider Seiten zu Schlusserben eingesetzt hatten. Hier ist einerseits die gegenseitige Einsetzung der Ehegatten und andererseits die Einsetzung der jeweiligen Verwandten gegenseitig.

BGH, Beschluss vom 21.4.2022, Az: 3 Wx 82/21

Erbenstellung durch Pflicht zur Übernahme von Beerdigungskosten

Für den rechtlichen Laien nicht immer nachvollziehbar ist die Unterscheidung zwischen dem Erbe und dem Vermächtnis. Vereinfacht kann gesagt werden, dass der Erbe den gesamten Nachlass des Erblassers mit allen Rechten und Pflichten bekommen soll. Dem Vermächtnisnehmer werden hingegen nur einzelne Gegenstände zugedacht.

Schwierig wird es, wenn in einem Testament nur einzelne Gegenstände vermacht werden, ohne dass eine Person als Erbe bezeichnet wird. Für einen solchen Fall hat das Oberlandesgericht Saarbrücken entschieden, dass zumindest dann eine Erbeinsetzung erfolgt ist, wenn ein Beteiligter den Hauptvermögensgegenstand erhält und sich zudem noch um die Beerdigung zu kümmern hat.

OLG Saarbrücken, Beschluss vom 30.3.2022, Az: 5 W 15/22

Pflicht zur Abgabe von Testamenten

Das Nachlassgericht ist für die Feststellung zuständig, wer Erbe eines Verstorbenen geworden ist. Hierzu ist das Gericht darauf angewiesen, alle „letzwilligen Verfügungen“ des Erblassers zu kennen, um diese rechtlich zu würdigen und schließlich zu einem Ergebnis zu kommen. Aus diesem Grund gibt es im Gesetz eine Ablieferungspflicht, derzufolge jeder, der ein Testament findet, verpflichtet ist, dieses beim Nachlassgericht abzugeben (§ 2259 BGB).

Verstößt jemand gegen diese Pflicht und erwächst einem Beteiligten dadurch ein Schaden, ist der Finder des sodann nicht abgegebenen Testaments zum Schadensersatz verpflichtet.

OLG Hamburg, Urteil vom 9.9.2021, Az: 2 U 9/21

Grabpflegekosten und Pflichtteilsanspruch

Wenn der Erblasser angeordnet hat, dass seine Erben die Grabpflege vorzunehmen haben, so führen die dadurch anfallenden Kosten nicht zu einer Reduzierung des Pflichtteilsanspruchs. Die Erfüllung des Pflichtteilsanspruch hat nämlich Vorrang vor anderen Verbindlichkeiten gegen den Nachlass aus Auflagen und Vermächtnissen.

BGH, Urteil vom 26.5.2021, Az: IV ZR 174/20

Ehegattenvoraus (§ 1932 BGB)

Verstirbt ein Ehegatte und wird der Überlebende gesetzlicher Erbe (es gibt also kein Testament oder Erbvertrag), so erhält er zusätzlich zu seinem Erbteil die zum ehelichen Haushalt gehörenden Gegenstände. Sind auch Kinder des Verstorbenen vorhanden, wird der Anspruch auf diejenigen Gegenstände eingeschränkt, die der überlebende Ehegatte zur Führung seines Haushalts benötigt.

Diese gesetzliche Vorschrift wird häufig übersehen. Sie schützt die wirtschaftliche Existenz und die Gefühlswelt des überlebenden Ehepartners. Der Anspruch richtet sich gegen die Miterben, welche verpflichtet sind, die betroffenen Gegenstände vor der Verteilung des Nachlasses an den Überlebenden herauszugeben.