Aktuelles
„bedeutender Schaden“ bei Unfallflucht
Wenn man sich von einem Unfallort entfernt, ohne seine Daten bei den anderen Unfallbeteiligten zu hinterlassen begeht man „Unfallflucht“, die gem. § 142 StGB strafbar ist. Das ist soweit bekannt. Eine weitere Folge der Unfallflucht ist aber auch, dass das Gericht demjenigen die Fahrerlaubnis entziehen kann, der wegen Unfallflucht verurteilt wird UND der einen bedeutenden Sachschaden verursacht hat.
Ob ein bedeutender Sachschaden vorliegt entscheidet also über die Frage, ob die Fahrerlaubnis entzogen wird oder nicht. Das Landgericht Dresden hat nun in einem Beschluss entschieden, dass ein bedeutender Schaden im Sinne der Vorschrift erst vorliegt, wenn zur Reparatur mindestens 1.800,- € notwendig sind.
LG Dresden, Beschluss vom 15.9.2023, Az: 17 Qs 66/23
Kein Nutzungsausfall bei beschädigtem Oldtimer
Eine Nutzungsausfallentschädigung ist vom Unfallgegener für den Zeitraum zu bezahlen, in welchem das beim Unfall beschädigte Auto nicht genutzt werden konnte, weil die Unfallschäden repariert werden. Diese Verpflichtung besteht nicht, wenn ein Oldtimer beschädigt wird und reparaturbedingt nicht genutzt werden kann. So entschied das OLG Celle im März dieses Jahres. Das Gericht argumentiert, dass ein Oldtimerfahrzeug ein Liebhaberstück sei, welches für die für die eigenwirtschaftliche Lebensführung typischerweise nicht notwendig sei. Ein erzwungener Verzicht auf einen Freizeitgegenstand löst keine Schadensersatzansprüche aus.
OLG Celle, Urteil vom 1.3.2023, Az: 14 U 149/22
Traktor blinkt – unklare Verkehrslage
Es besteht für den Überholenden eine unklare Verkehrslage, wenn ein vorausfahrender Traktor nach links blinkt. Der nachfolgende Verkehr muss stets damit rechnen, dass der Traktor kurzfristig abbiegt, und zwar auch ohne vorheriges Einordnen nach links. Kommt es in dem Zusammenhang mit dem Abbiegevorgang zum Unfall haftet auch der nachfolgende Verkehr.
OLG Schleswig, Beschluss vom 26.7.2023, Az: 7 U 42/23
Handyverbot gilt auch für Auslesegeräte
Ein Fahrzeugführer hatte im Rahmen einer Probefahrt ein mit einem Diagnosegerät verbundenes Auslesegerät während der Fahrt in der Hand gehalten. Es handelte sich um eine Fahrt im Rahmen seiner Berufsausübung mit einem Kundenfahrzeug.
Das Oberlandesgericht Schleswig entschied, dass es sich um ein „elektronisches Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist“ handelt. Für derartige Geräte gilt das Nutzungsverbot des § 23 Abs. 1a StVO.
OLG Schleswig, Beschluss vom 28.3.2023 Az: II ORbs 15/23
Erstattung von Anwaltsgebühren bei Verkehrsunfall
Wer sich für die Abwicklung eines Verkehrsunfalls der Hilfe eines Anwalts bedient hat Anspruch auf Erstattung der durch die Beauftragung entstandenen Kosten, wenn der Unfall unverschuldet war. Das ist gängige Rechtssprechung (zuletzt BGH, Urteil vom 29.10.2019, Az: VI ZR 45/19) und wurde so auch aktuell vom Oberlandesgericht Braunschweig gesehen. Der Einwand des Unfallgegners, dass es sich um einen einfach gelagerten Fall gehandelt habe und daher die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts nicht notwendig sei, wurde vom Gericht zurückgewiesen. Immer, wenn auch die Höhe der Schadensersatzforderung streitig ist, müssen die Anwaltskosten erstattet werden.
OLG Braunschweig, Urteil vom 28.4.2023, Az: 1 U 16/22
Fiktive Schadensbemessung im Mietrecht
Hat der Vermieter nach Auszug des Mieters einen Schaden an der Mietsache festgestellt (und innerhalb der Frist von 6 Monaten geltend gemacht), kann er diesen Schaden fiktiv geltend machen, also auf Basis eines Kostenvoranschlags abrechnen. Dieses sogar unabhängig davon, ob der Vermieter bereits tatsächlich mit der Beseitigung der Schäden begonnen hat.
BGH, Urteil vom 19.4.2023, Az: VIII ZR 280/21
Verjährung des Urlaubsanspruchs
Nach deutschem Arbeitsrecht verjähren Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers drei Jahre nach dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Urlaubsanspruch entstanden ist. Diese Regelung wird jedoch von europäischem Recht überlagert, wie das Bundesarbeitsgericht mit einem jetzt veröffentlichten Urteil entschieden hat. Demzufolge beginnt die Verjährung nicht zwangsläufig mit dem Schluss des Jahres, in dem der Urlaubsanspruch entstanden ist und der Arbeitnehmer davon Kenntnis hat. Zusätzlich ist vielmehr auch für den Beginn der Verjährungsfrist erforderlich, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch tatsächlich wahrzunehmen.
BAG, Urteil vom 20.12.2022, Az: 9 AZR 266/20
Parteifähigkeit einer gelöschten GmbH
Grundsätzlich endet die Parteifähigkeit einer GmbH, also die Möglichkeit, aktiv an einem Gerichtsprozess teilzunehmen, mit ihrer Löschung aus dem Handelsregister. Etwas anderes gilt, wenn die Löschung von Amts wegen aufgrund von tatsächlicher Vermögenslosigkeit erfolgt ist und Anhaltspunkte dafür bestehen, dass noch verwertbares Vermögen vorhanden ist.
Kammergericht Berlin, Beschluss vom 2.3.2023, Az: 10 U 92/21
Kein Handy-Verstoß bei bloßer Umlagerung
Der Führer eines Kraftfahrzeugs verstößt auch dann nicht gegen § 23 Abs. 1a StVO, wenn er während der Fahrt ein Smartphone, mit dem er gerade ein Gespräch über eine Bluetooth-Freisprecheinrichtung des Fahrzeugs führt, ausschließlich zu dem Zweck aufnimmt, um es – etwa zum Schutz vor Beschädigungen – umzulagern.
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 18.4.2023, Az: 1 ORbs 33 Ss 151/23
Ausgebauter Akku gerät in Brand – keine Haftung
Die Haftung des Halters eines Kfz (bzw. des Haftpflichtversicherers) besteht, wenn ein Schaden durch den Betrieb eines Kraftfahrzeugs entstanden ist. Vom BGH war die Frage zu beurteilen, ob diese Voraussetzung vorliegt, wenn ein Schaden dadurch entsteht, dass die ausgebaute und zum Aufladen vom Fahrzeug getrennte Batterie eines Elektrorollers in Brand gerät.
Der BGH verneinte eine Haftung mit der Begründung, dass es in diesem Fall an einem zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Einsatz der Batterie als Betriebseinrichtung des Fahrzeugs fehl.
BGH, Urteil vom 24.1.2023, Az: VI ZR 1234/20